17.11.2023

You‘ll Never Walk Alone – warum Zeugen nicht ohne Beistand in eine Vernehmung gehen sollten

Als Zeuge auszusagen, ist eine ungewohnte und oft unangenehme Situation. Anwaltlichen Beistand zu suchen, ist professionell und auch dann zu empfehlen, wenn man „nichts zu verbergen“ hat.

Was sind die Pflichten eines Zeugen?

Der Zeuge ist für Behörden und Gerichte zunächst ein Beweismittel. Seine Aussage soll Ermittlungsbehörden oder Gerichte in die Lage versetzen, den „wahren“ Sachverhalt festzustellen. Damit dies gelingt, hat der Zeuge im Wesentlichen zwei Pflichten:

  • Er muss erscheinen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gericht oder die Staatsanwaltschaft lädt.
  • Er muss wahrheitsgemäß aussagen und in seltenen Fällen seine Aussage auch beeiden.

 

Hierbei handelt es sich um staatsbürgerliche Pflichten. Sie treffen alle deutschen Staatsangehörigen sowie Ausländer, wenn sie sich im Inland aufhalten.

 

Erscheint der Zeuge nicht oder verweigert er unberechtigt das Zeugnis, kann er polizeilich vorgeführt werden. Zudem können ihm die Kosten auferlegt werden, die durch sein Fernbleiben entstehen.

Was sind die Rechte eines Zeugen?

Die Rechtsprechung betont zwar, der Zeuge sei kein bloßes Objekt des Verfahrens. Aber wahr ist auch, dass er nur relativ wenige Rechte hat.

 

Zentral ist zunächst das Recht, die Antwort auf solche Fragen zu verweigern, durch die der Zeuge sich selbst oder nahe Angehörige der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen könnte. Insoweit gilt kurz gesagt Folgendes:

  • Das Auskunftsverweigerungsrecht ist grundsätzlich auf einzelne Fragen beschränkt. Steht die gesamte Aussage mit einem möglicherweise strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang, dass nichts übrigbleibt, was der Zeuge ohne Verfolgungsgefahr aussagen könnte, verdichtet sich das Auskunftsverweigerungsrecht ausnahmsweise zum sog. Recht der Totalverweigerung des Zeugnisses.
  • Verfolgungsgefahr besteht, wenn die Ermittlungsbehörde aus einer wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen könnte, die einen Anfangsverdacht einer Straftat begründen. Dieser setzt lediglich voraus, dass nach kriminalistischer Erfahrung (Steuerfahnder sprechen gerne vom „fahnderischem Gespür“) ein strafbares Verhalten möglich erscheint. Die Schwelle ist niedrig. Richtigerweise besteht eine Verfolgungsgefahr also weit im Vorfeld einer direkten Belastung.
  • Für die Verfolgungsgefahr ist es nicht erforderlich, dass die Antwort unmittelbar eine Straftat offenbart. Es besteht auch dann, wenn der Zeuge über Tataschen sprechen müsste, die den Verdacht mittelbar begründen. Es genügt, wenn diese Tatsachen ein Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude sein können (sog. Mosaiktheorie).

 

Ob dies der Fall ist, wird der Zeuge allein kaum zuverlässig einschätzen können. Insoweit ist auch zu bedenken, dass er grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht hat. Er weiß daher regelmäßig nicht, welche Kenntnisse andere Verfahrensbeteiligte (Gericht, Ermittlungsbehörden etc.) haben, wenn sie ihn befragen. Auch kann er kaum vorhersehen, welche Unterlagen ihm ggf. vorgehalten werden. Und spontan etwa zu einer acht Jahre alten E-Mail etwas sagen zu sollen, kann auch einen redlichen Zeugen unter erheblichen Stress setzen.

Anwaltlicher Beistand

Der Gesetzgeber gesteht dem Zeugen durch § 68b StPO u.a. zur Wahrung dieses Rechtes zu, in jeder Lage des Verfahrens anwaltlichen Beistand zu suchen. Hierdurch sollen die strukturellen Nachteile für den Zeugen gemildert werden. Und erfahrene Anwältinnen oder Anwälte werden in der Lage sein, mögliche Gefahren für den Zeugen zu erkennen und seine Rechte zu schützen, bevor sie verletzt werden. Der Zeugenbeistand wird u.a. darauf achten, dass

  • ein Zeuge nur zu Tatsachen befragt wird, zu denen er etwas sagen kann,
  • der Zeuge die Frage richtig versteht,
  • er nicht unter Druck gesetzt wird,
  • verständliche und eindeutige Fragen gestellt werden,
  • und die Aussage des Zeugen zutreffend und mit dem richtigen Duktus (d.h. ohne Zwischentöne) in Protokollen zitiert wird.

 

Die Begleitung durch einen Zeugenbeistand sorgt daher für Fairness und Waffengleichheit im Verfahren. Sie ist eine professionelle Reaktion und mit Sicherheit kein Anzeichen dafür, dass ein Zeuge etwas zu verbergen hat.

 

Wenn Sie als Zeuge in einem strafrechtlichen Verfahren oder vor einem Untersuchungsgremium gehört werden sollen, sprechen Sie uns an. Wir analysieren gemeinsam mit Ihnen die Situation und begleiten sie gerne.