16.01.2024

Fehlentscheidungen von Beamten, Politikern etc. – strafbare Untreue?

Bei Berichten über teure Fehlentscheidungen in Verwaltung und Politik werden häufig strafrechtliche Konsequenzen gefordert. Die Hürden für eine Strafbarkeit sind aber hoch.

Fallgestaltungen und Ausmaß

Ein pflichtwidriger Umgang mit öffentlichen Geldern kann als Untreue (§ 266 StGB) anzusehen sein. Die Vorschrift richtet sich auch an Personen, die eine besondere Pflicht haben, öffentliches Vermögen zu schützen. Dies können insbesondere Beamte und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sein. Vereinfacht gesagt liegt strafbare Untreue vor, wenn pflichtwidriges Handeln eines Amtswalters zu einem Schaden für das öffentliche Vermögen führt.

 

Die Vorschrift erfasst daher z.T. sehr unterschiedliche Sachverhalte. Zu den jüngeren Beispielen aus der Rechtsprechung zählen u.a.:

  • Eingehen riskanter Spekulationsgeschäfte durch Kommunalverantwortliche (Zinsswaps)
  • Einstellung ungeeigneter Personen aus sachfremden Gründen (Ämterpatronage)
  • Vergabe öffentlicher Aufträge zu überhöhten Preisen bei Vereinbarung von Kick-Back-Zahlungen
  • Unwirtschaftliche Ausgaben

 

Statistischen Angaben zufolge entstehen durch pflichtwidrigen Umfang mit öffentlichem Vermögen jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Ein Bedürfnis für einen strafrechtlichen Schutz öffentlichen Vermögens auf der Ausgabenseite besteht also. Auf der Einnahmenseite wird dieser Schutz durch die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung gewährleistet. Allerdings legen Statistiken den Schluss nahe, dass Fehlverhalten auf der Einnahmenseite konsequenter verfolgt wird als unwirtschaftlicher Umfang mit staatlichem Vermögen. Hierfür kommen mehrere Ursachen in Betracht.

Evidente Pflichtverletzungen

Amtswalter sind in ihrem Umgang mit öffentlichem Vermögen nicht frei. Insbesondere bestehen die folgenden Grenzen:

  • Schädigungsverbot: untersagt ist zunächst ein Handeln, das zu einem sicheren Nachteil für das betreute Vermögen führt. Ein Verstoß gegen das Schädigungsverbot kommt daher z.B. bei Handeln in Bereicherungsabsicht in Betracht (Griff in die Kasse). Hierzu gehören auch die Fälle, in denen öffentliches Vermögen privat genutzt wird (z.B. Bewirtung rein privater Gäste, Urlaubsfahrt mit dem Dienstwagen etc.).
  • Sparsamkeitsgebot: Grundsätzlich sind alle staatlichen Stellen zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet. Pflichtwidrig sind daher z.B. überzogene Aufwendungen für Repräsentation, Einstellen fachlich ungeeigneten Personals etc.
  • Haushaltsrecht: häufig regelt das Haushaltsrecht, zu welchem Zweck öffentliche Mittel einzusetzen sind. Hierdurch wird das öffentliche Vermögen vor eigenmächtigem Verhalten der Amtswalter geschützt. Eine Verwendung der Mittel zu anderen Zwecken kann dann eine strafbare Pflichtverletzung sein. Ferner kann der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Verfahrensvorschriften (z.B. Zuständigkeits-, Entscheidungs- oder Transparenzvorgaben) eine Pflichtverletzung begründen, die als Untreue strafbar sein kann.

 

Jedenfalls besonders krasse Verstöße gegen die o.g. Gebote oder haushaltsrechtliche Vorgaben können eine untreuerelevante Pflichtverletzung begründen. Eine wichtige Einschränkung liegt jedoch darin, dass die entsprechenden Vorgaben gerade zum Schutz des Vermögens aufgestellt wurden. Deshalb ist nicht jeder Verstoß gegen das Haushaltsrecht gleich auch strafbar.

 

Ansonsten: weites Ermessen

Jenseits krasser und damit evidenter Fälle gilt, dass Amtswalter einen Ermessensspielraum haben. Insoweit gilt für sie nichts anderes als für Geschäftsleiter in der Privatwirtschaft. Teilweise wird sogar gefordert, für die Verwaltung noch deutlich weitere Ermessensspielräume anzuerkennen. Die grundsätzliche Anerkennung von Ermessensspielräumen ist jedenfalls konsequent und richtig. Andernfalls wären Amtswalter nicht in der Lage, auf unsichere Sachverhalte zu reagieren. Allerdings trifft den Amtswalter die Pflicht, Chancen und Risiken seiner Entscheidung sorgfältig abzuwägen. Ebenso wie für privates Handeln gilt auch für Entscheidungen in der Verwaltung, dass diese stets mit dem Risiko einhergehen, sich als falsch zu erweisen. Besonders deutlich wird die bei kommunalen Finanzgeschäften. Allein die Erkenntnis, dass eine Vermögensanlage nicht so erfolgreich war, wie geplant, lässt keinen Schluss auf eine Pflichtverletzung zu.

Business Judgement Rule

Ob eine Ermessenentscheidung mit der erforderlichen Sorgfalt getroffen wurde, richtet sich daher auch für Amtswalter nach den in der Privatwirtschaft angewendeten Grundsätzen der Business Judgement Rule. Hiernach ist auch eine nachträglich falsche Entscheidung straflos, wenn die folgenden Kriterien eingehalten wurden:

  • Der Amtswalter hat auf einer sorgfältig ermittelten Entscheidungsgrundlage gehandelt (informierte Entscheidung).
  • Verfahrensregeln zur Zuständigkeit und zur Einbeziehung zur Mitentscheidung berechtigter Personen wurden eingehalten.
  • Die Entscheidung fiel transparent, war frei von Interessenkonflikten und es wurde nichts verheimlicht.

 

Sind diese Kriterien eingehalten, fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung und kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue nicht in Betracht. Hierdurch wird insbesondere der Rückschaufehler vermieden, aus der Kenntnis des späteren Verlaufs auf eine Pflichtverletzung zu schließen.

 

Auch teure Fehlentscheidungen von Amtswaltern sind nicht ohne weiteres strafbar. Kritisch sind jedoch insbesondere Fälle, in denen Eigeninteressen eine Rolle spielen, eindeutige Vorgaben des Haushaltsrechts missachtet oder die Entscheidung nicht sorgfältig getroffen wird. Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben.