Bei der Umsatzsteuer wird der Unternehmer als eine Art Steuereinsammler für den Staat tätig. Auf jeder Rechnung weist er zusätzlich zu seinem Netto-Umsatz die Umsatzsteuer aus. Die Steuer meldet er an und führt sie an das Finanzamt ab. Dass die Umsatzsteuer strafrechtlich so häufig ein Thema ist, liegt vor allem an zwei Rechten des Unternehmers:
Dieses System ist anfällig für Missbrauch in verschiedenen Varianten. In der Praxis sind vor allem die folgenden Situationen wichtig:
Ehrlich agierende Unternehmer können mit betrügerisch verbilligten Preisen nicht konkurrieren. Der Wettbewerb wird verzerrt. Hinter solchen Machenschaften stehen häufig organisierte Tätergruppen. Für redliche Unternehmer kann sehr riskant sein, dass sie häufig unerkannt eingebunden werden, um die Entdeckung des Missbrauchs zu erschweren. Am Ende sind sie dann häufig die einzigen, die für die Finanzbehörden greifbar oder zahlungskräftig genug sind, um für den Steuerschaden aufzukommen.
Der Missbrauch des Mehrwertsteuersystems wird präventiv durch die europäischen Finanzbehörden bekämpft. Insbesondere durch Informationsaustausch und zwischenstaatliche Maßnahmen sind Märkte und Verbindungen unter Marktteilnehmern transparenter geworden. Kriminell agierende Unternehmer können durch Frühwarnsysteme wie EUROFISC zumindest schneller entdeckt werden. Der Teufel steckt jedoch oft im Detail. So ist bereits die Qualität der in das System eingepflegten Daten in den Mitgliedsländern unterschiedlich. Auch die Vorgehensweise der lokalen Steuerbehörde kann sehr verschieden ausfallen.
Flankiert wird diese präventive Bekämpfung durch eine strikte Rechtsprechung und Gesetzgebung. Der EuGH hat bereits (Jahr) entschieden, dass es dem Gemeinschaftsrecht widerspricht, wenn umsatzsteuerliche Rechte wie Vorsteuerabzug oder Steuerbefreiung missbraucht werden. Hieraus hat der EuGH abgeleitet, dass Vorsteuerabzug und Steuerbefreiung zu versagen sind, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass es auf irgendeiner Stufe der Handelskette zu einer Steuerhinterziehung gekommen ist.
Der deutsche Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung weitestgehend in nationales Recht überführt. Im Jahr (Jahr) hat er § 25f UStG eingeführt. Dieser schreibt die Versagung von Vorsteuerabzug und Steuerbefreiung als zwingende Rechtsfolge vor, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass irgendein Beteiligter auf irgendeiner Handelsstufe eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26c UStG) begangen hat.
Die Reaktion auf § 25f UStG war unter Praktikern sehr gemischt. Kritisiert wurde u.a., dass die offenen Fragen der EuGH-Rechtsprechung unbeantwortet blieben und sich bei § 25f UStG nun unverändert stellten:
Einige dieser Fragen werden in dem BMF-Schreiben vom 15.06.2022 nunmehr aus Sicht der Finanzverwaltung beantwortet.
Wichtig sind zunächst die folgenden Aussagen des BMF:
Sodann nennt das BMF mehrere Anhaltspunkte, die dafürsprechen sollen, dass der Unternehmer von missbräuchlichem Verhalten hätte wissen können. Hiervon sei auszugehen, wenn
Ungeachtet der Frage, wie man diese Kriterien im Einzelnen oder insgesamt bewertet: Sie zeigen, dass jeder Unternehmer sich eingehend mit seinen Geschäftspartnern und den Einzelheiten eines Geschäfts befassen muss. Die Zeiten, in denen es genügte, eine Ausweiskopie anzufordern und die Gültigkeit der USt.-ID abzufragen, sind vorbei. Gerade wer grenzüberschreitend tätig ist und mit Waren handelt oder in Märkte liefert, die für Umsatzsteuerbetrüger interessant sind, muss deutlich mehr machen, um ggf. existenzbedrohende Rechtsfolgen zu vermeiden. Denn das BMF stellt klar: die Versagung der steuerlichen Vorteile ist zwingend und auch nachträglich vorzunehmen.
Bereits die Finanz- und Strafgerichte hatten in der Vergangenheit betont, dass der Unternehmer geschützt wird, der vernünftige Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung ergreift. Diesen Aspekt hebt nunmehr auch das BMF hervor. Umgekehrt gilt: wer nichts oder aus Sicht des Finanzamts nicht genug unternimmt, hat es schwer. Das Finanzamt darf dann unterstellen, dass er von der Hinterziehung wusste oder wissen musste. Dies ist zunächst steuerlich sehr riskant. Auch strafrechtlich erschwert es die Verteidigung, wenn geeignete Compliance-Maßnahmen fehlen. Wichtig ist, hier nicht „von der Stange zu kaufen“: das System muss zum Unternehmen passen und realistische Vorkehrungen definieren, die im Alltag gelebt werden können.
Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie sich gegen steuerliche und strafrechtliche Risiken schützen wollen. Und gerne auch dann, wenn bereits Ermittlungen oder Verfahren laufen. Wir verfügen über jahrelange Erfahrung in diesem Bereich und geben gerne eine Einschätzung ab.