01.03.2022

Insiderhandel – ein Kavaliersdelikt?

Insiderhandel gilt als nicht oder nur äußerst schwer ermittelbares Delikt, das zudem nur bestimmte Berufszweige beträfe. Vielfach herrscht auch die Auffassung vor, durch solche Insidergeschäfte passiere schon nichts Schlimmes, da es keine sichtbaren Opfer gäbe. Der nachstehende kurze Einblick zeigt, dass dies so nicht richtig ist.

Was ist unter Insiderhandel zu verstehen?

Durch die seit dem 3. Juli 2016 unmittelbar anwendbare Verordnung Market Abuse Regulation („MAR“) ist für das Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen entstanden. In Art. 14 i.V.m. Art. 8 MAR sind die Verbote von Insidergeschäfte geregelt.

 

Laut Art. 14 MAR sind folgende Handlungen verboten:

  • das Tätigen von Insidergeschäften und der Versuch hierzu (Art. 14 a) MAR),
  • die Empfehlung an oder Anstiftung von Dritten, Insidergeschäften zu tätigen (Art. 14 b) MAR),
  • die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 14 c) MAR).

 

Ein Insidergeschäft liegt vor, wenn eine Person über Insiderinformationen verfügt und unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert (vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 1 MAR).

Welche Arten von Informationen der Begriff „Insiderinformationen“ im Sinne der MAR umfasst, ist in Art. 7 Mar geregelt.

 

Wen betrifft es?

Insiderhandel ist ein Jedermanns-Delikt. Entgegen verbreiteter Ansicht ist Insiderhandel kein Straftatbestand, der sich nur gegen bestimmte Personen richtet, die in diesem Bereich tätig sind. Die frühere Unterscheidung in Primär- und Sekundärinsidern, die sich nach der Nähe der Person zum Ursprung der Insiderinformation richtete und für die Entscheidung wesentlich war, ob eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt, ist entfallen. Entsprechend gelten die Insiderverbote für jeden, der mit Insiderinformation in Berührung kommt (vgl. Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 MAR).

 

Was droht bei einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Insiderhandels?

Die BaFin leitet bei Hinweisen auf Insiderhandel eine Insideruntersuchung ein und erstattet bei Erhärtung des Verdachts eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft.

 

Die Rechtsfolgen sind erheblich: Neben Geld- und Freiheitsstrafe sind u.a. erhebliche finanzielle Belastungen sowie öffentliche Bekanntmachungen im WpHG normiert.

 

In §119 Abs. 1, Abs. 3 WpHG ist der vorsätzliche Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert. Sämtliche in Art. 14 MAR genannten Tatvarianten werden danach unter Strafe gestellt. Eine Besonderheit gilt bei einem Verstoß gegen die MAR beim Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. Solche Verstöße sind gem. §119 Abs. 1, 2 WpHG (sowie § 119 Abs. 7 WpHG betreffend Leichtfertigkeit) besonders strafrechtlich sanktioniert.

 

Ein leichtfertiger Verstoß wird als Ordnungswidrigkeit geahndet (§ 120 Abs. 14 i.V.m. § 119 Abs. 3 WpHG). Gemäß §120 Abs. 18 S. 1 WpHG kann gegen natürliche Personen eine Geldbuße bis zu fünf Millionen Euro verhängt werden. Gegenüber juristischen Personen kann eine höhere Geldbuße verhängt werden. Je nach höherem Betrag kann eine Geldbuße einen Betrag von bis zu 15 Millionen Euro ausweisen oder 15 % des vorjährigen Gesamtumsatzes (§ 120 Abs. 18 S. 2 Nr. 1 WpHG).

 

Ferner kann gem. § 120 Abs. 18 S. 3 WpHG eine Abschöpfung bis zum Dreifachen des erlangten Sondervorteils erfolgen. Zudem kommt die Einziehung von Taterträgen in Betracht.

 

Nicht zu unterschätzen ist auch § 125 WpHG. Danach ist die BaFin verpflichtet, Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen, die bei Insiderverstößen erlassen worden sind, unverzüglich auf ihrer Internetseite bekannt zu machen. Zusätzlich zu den strafrechtlichen und finanziellen Sanktionen tritt folglich noch eine nicht zu vernachlässigende „Prangerwirkung“ ein.

 

Bereits dieser kurze Überblick zeigt, , dass Insiderhandel kein Kavaliersdelikt ist. Nicht nur die reinen Sanktionen, sondern auch die finanziellen und öffentlichen Nebenfolgen können existenziell sein.

Was tun, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen Insiderhandels eingeleitet worden ist?

Verfahren wegen Insiderhandels sind sehr komplex.  Auf keinen Fall sollte erst einmal abgewartet werden. Eine frühzeitig erarbeitete Strategie und vernünftige Einschätzung der Risiken können helfen, das Verfahren zu einem guten Ende zu bringen.

 

Wie wichtig dies ist, zeigt beispielhaft ein Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt. Nach 27 Hauptverhandlungstagen wurden am 18.02.2022 zwei Männer wegen Insiderhandels verurteilt. En früherer Investmentbanker und ein Versicherungskaufmann hatten auf bevorstehende Übernahmen von Unternehmen gewettet. Hierzu versorgte der im M&A-Bereich tätige Investmentbanker den Mitangeklagten mit Insiderinformationen.

 

Gegen den angeklagten Versicherungskaufmann verhängte das Landgericht Frankfurt die bisher höchste Haftstrafe wegen Insiderhandels – 3 Jahre und 8 Monate. Ferner ordnete es die Einziehung von 6,7 Mio. Euro an. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe bis zum Ende.

 

Der frühere Investmentbanker wählte mit seiner Verteidigung (Dr. Markus Adick und Leonie Linke, LL.M.) eine andere Strategie. Mit Erfolg: er wurde zu einer Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Er habe im Verfahren „alles richtig gemacht“ und so eine lange Haftstrafe vermieden, befand der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer in der Urteilsbegründung.