07.02.2022

Das neue Geldwäschestrafrecht: Wen trifft es und wann?

Die Geldwäsche ist zum Allerweltsdelikt geworden. Längst geht es nicht mehr nur um Terrorismusfinanzierung und organisierte Kriminalität. Zuletzt hat die Ausweitung der Strafbarkeit nach § 261 StGB das Thema in das allgemeine Wirtschaftsleben katapultiert.

Betroffen ist jeder, der Zahlungen oder Waren entgegennimmt. Mängel bei der Geldwäsche-Verhinderung können existenzbedrohend sein. Dabei sind die Risiken für redlich agierende Unternehmen häufig nur schwer zu erkennen. Denn auch im Ausland begangene Straftaten sind taugliche Vortaten. Verstößt ein Geschäftspartner irgendwo auf der Welt gegen Strafgesetze, kann z.B. der Erwerb bemakelter Waren in Deutschland als Geldwäsche strafbar sein. Schon bei leichtfertigem Verhalten drohen empfindliche Sanktionen für Unternehmen und Entscheidungsträger. Und auch Rechtsanwälte und Steuerberater müssen sich auf höhere Risiken einstellen.

 

Was ist Geldwäsche?

Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist Geldwäsche das Einschleusen illegaler Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf. Wirtschaftslexika erwähnen in diesem Zusammenhang häufig Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel. Also typische Formen organisierter Kriminalität, die fernab des allgemeinen Wirtschaftslebens stattfinden. Und tatsächlich diente der Geldwäschetatbestand bislang vor allem der Bekämpfung organisierter Kriminalität. Bis vor kurzem war die Strafnorm des § 261 StGB auf bestimmte Vortaten aus dem Bereich schwerer Kriminalität beschränkt.

 

Seit dem 18. März 2021 gilt jedoch ein sog. All-Crime-Ansatz: Jeder Gegenstand, der aus irgendeiner Straftat herrührt, kann Tatobjekt einer Geldwäsche sein. Dies ändert die Rechtslage grundlegend. Denn es genügen jetzt bereits Bagatelldelikte, um Vermögen strafrechtlich zu infizieren.

 

Das neue Recht ist unter vielen Aspekten kritisiert worden. Zum Beispiel dafür, dass seine Rechtsfolgen unverhältnismäßig sind und seine Anwendung praxisfern ist. Oder dafür, dass es absehbar zu einer Überlastung der Financial Intelligence Unit (FIU) und der Strafjustiz führt. Tatsächlich lassen sich ohne weiteres viele Beispiele finden, die nachdenklich stimmen. Ein deutscher Einzelhändler, der Gemüse aus Spanien kauft, das unter Verstoß gegen spanisches Umweltstrafrecht hergestellt wurde, erfüllt nach deutschem Strafrecht den objektiven Tatbestand der Geldwäsche. Ein Textilhändler, der am anderen Ende der Welt Kleidung erwirbt, die dort unter strafbaren Markenrechtsverletzungen hergestellt wurde, kann durch den Erwerb in Deutschland wegen Geldwäsche strafbar sein. Ein Lebensmittelhersteller, der Geflügel kauft, das im EU- Nachbarland unter Verstoß gegen Tierschutzgesetze geschlachtet wurde. Das Spektrum möglicher Auslöser für einen Verdacht strafbarer Geldwäsche ist unüberschaubar geworden. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass in Liefer- und Handelsketten niemand für seinen Vertragspartner jemals wirklich die Hands ins Feuer legen kann. Deshalb kommen auch auf redlich agierende Unternehmen neue und ungewohnt scharfe strafrechtliche Risiken zu.

 

Wen trifft es?

Das neue Geldwäschestrafrecht trifft einen stark vergrößerten Adressatenkreis. Von den strafrechtlichen Risiken sind insbesondere auch Unternehmen betroffen, die nicht Verpflichtete (§ 2 Abs. 1 GwG) sind. Dies betrifft vor allem Unternehmen, die als Güterhändler anzusehen sind (§ 1 Abs. 9 GwG). Deshalb bestehen strafrechtliche Risiken für alle Unternehmen, die Waren oder Rohstoffe beziehen oder Zahlungen annehmen. Auch für die rechts- und steuerberatenden Berufe sind die Risiken des Geldwäschestrafrechts nicht zu unterschätzen. Wer Honorar für eine äußerlich neutrale berufstypische Handlung entgegen nimmt und hierbei durch Leichtfertigkeit nicht erkennt, dass es aus inkriminiertem Vermögen stammt, kann sich als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer strafbar machen. Ein besonders aktuelles Beispiel sind die Corona-Soforthilfen. Erkennt der Steuerberater, dass der Mandant unrichtige Angaben gemacht oder die Mittel zweckwidrig verwendet hat, deutet dies auf einen Subventionsbetrug (§ 264 StGB) seitens des Mandanten hin. Der Steuerberater wird sich fragen müssen, ob er Honorare noch annehmen kann und ob er eine Rechtspflicht hat, eine Geldwäscheverdachtsanzeige abzugeben. So kann aus jedem Mandat theoretisch ein Risiko für die Kanzlei werden. Denn zur Annahme leichtfertigen Verhaltens genügt es, wenn sich die Herkunft des Gegenstands aus irgendeiner Straftat geradezu aufdrängt und der Täter dennoch handelt, weil er dies aus grober Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Vieles ist jedoch im beruflichen Alltag eine Frage des Einzelfalls, und nicht jedem Sachverhalt steht die Relevanz nach dem GwG auf die Stirn geschrieben.

 

Ungeachtet einer möglichen Strafbarkeit gibt es Meldepflichten nach dem GwG. Verpflichtete müssen im Verdachtsfall eine Anzeige an die FIU erstatten (§ 43 GwG). Diese Meldepflicht ist unabhängig vom Wert des Vermögensgegenstandes und setzt sehr früh an. Insbesondere setzt sie noch keinen strafprozessualen Anfangsverdacht voraus. Erforderlich sind lediglich Tatsachen, die darauf hinweisen, dass ein Gegenstand (Geld, Waren etc.) aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat zur Geldwäsche sein könnte. Jeder Verpflichtete hat sich bei der FIU unabhängig von der Erstattung einer Anzeige elektronisch zu registrieren. Wird die Anzeige nicht, nicht richtig und vollständig oder nicht rechtzeitig abgegeben, droht ein Bußgeld.

 

Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer waren bisher nicht zu einer Meldung an die FIU verpflichtet, soweit sich der Sachverhalt auf Informationen aus dem Mandatsverhältnis bezog. Nunmehr sind nur noch solche Tatsachen nicht meldepflichtig, welche die Rechtsberatung und Prozessvertretung betreffen. Wer als Anwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer seine Meldepflicht auch nur leichtfertig verletzt, riskiert hohe Bußgelder und im schlimmsten Fall ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Es lohnt sich also, auch in der Kanzlei wirksame Vorkehrungen zu treffen.

 

Welche Sanktionen drohen?

Für Entscheidungsträger drohen im Fall einer Geldwäsche persönliche Haft- oder Geldstrafen. Bereits leichtfertiges Handeln, also eine Verletzung von Sorgfaltspflichten, reicht aus. Ferner können Geldbußen wegen Verletzung von Pflichten nach dem GWG oder wegen Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) verhängt werden. Jedenfalls wirtschaftlich wiegen die Sanktionen gegen das Unternehmen schwerer. Zum einen sind Verbandsgeldbußen (§ 30 OWiG) denkbar. Zum anderen können sämtliche Gewinne aus dem Handel mit bemakelten Waren eingezogen werden (§ 73ff. StGB). Diese Sanktion ist besonders weitreichend. Denn eigene Aufwendungen des Unternehmens werden nicht abgezogen. Erwirbt ein Unternehmen für 1 Million Euro Kosmetikprodukte, zu deren Herstellung im Ausland strafbare Tierversuche gemacht wurden, und erzielt es durch den Verkauf einen Gewinn von 5 Millionen Euro, unterliegt der gesamte Betrag der Einziehung.

 

Auslöser für Ermittlungen

Generell dürfte die Erweiterung der Strafbarkeit auch im allgemeinen Wirtschaftsleben zu einer Zunahme strafrechtlicher Ermittlungen führen. Für die Einleitung von Ermittlungen genügt der strafprozessuale Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO). Dieser setzt nicht mehr voraus als die auf Tatsachen gestützte Möglichkeit, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde. Weil jegliche Straftat als Vortat ausreicht und Leichtfertigkeit genügt, liegt die rechtliche Schwelle für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen sehr niedrig. Praktiker befürchten deshalb, dass Strafverfolgungsbehörden den Vorwurf der Geldwäsche als Türöffner erheben könnten, um das strafrechtliche Besteck wie Durchsuchung, Beschlagnahme etc. einsetzen zu können. Auf diese Weise lassen sich tatsächliche oder rechtliche Hindernisse bei der Begründung eines Anfangsverdachts für zuweilen schwer nachweisbare Taten (z.B. Korruption oder Steuerhinterziehung) ggf. umgehen. Da im Strafverfahren auch sog. Zufallsfunde verwertet werden dürfen und es auf den rechtlichen Anlass der Durchsuchung nicht ankommt, ist dieser potenzielle Anreiz nicht von der Hand zu weisen. Insgesamt ist der Weg für Ermittlungsbehörden ins Unternehmen hinein daher über den Geldwäschevorwurf weniger steinig.

Wie lassen sich Risiken verringern?

Die wesentlichen Risiken werden regelmäßig durch Lieferanten oder Geschäftspartner in das Unternehmen hineingetragen. Das Risiko strafbaren Verhaltens auf vorgelagerten Ebenen ist jeder Liefer- oder Handelskette immanent. Die Hoffnung, dass sich Rechtsverstöße auf vorhergehenden Stufen der Liefer- oder Handelskette sicher ausschließen lassen, ist unrealistisch. Zwar ist denkbar, dass durch gutgläubigen Erwerb in der Liefer- oder Handelskette bemakelte Gegenstände strafrechtlich wieder gereinigt werden. Sich hierauf zu verlassen, ist aber riskant. Wichtig ist daher, eine angemessene und im Alltag auch tatsächlich gelebte Struktur für die Geldwäsche-Compliance zu schaffen. Selbst wenn ein Unternehmen nicht zu den Verpflichteten (§ 2 Abs. 1 GwG) gehört und keine gesetzliche Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements (§§ 4ff. GwG) besteht: angemessene Maßnahmen zur Identifizierung von Geldwäscherisiken sind für jedes Unternehmen und jede Kanzlei unverzichtbar geworden. Von einem Blindflug ist auf jeden Fall abzuraten.