Jedes Strafverfahren setzt einen Anfangsverdacht voraus. Ergibt sich während einer Außenprüfung ein Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat, so hat der Prüfer die für die Bearbeitung dieser Straftat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten (§ 10 Abs. 1 S. 1 Betriebsprüfungsordnung, „BpO“). Dies gilt auch dann, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss. Also besteht eine Rechtspflicht des Prüfers, die Straf- und Bußgeldsachenstelle zu unterrichten. Ein eigenes Ermessen steht ihm nicht zu. Unterlässt der Prüfer eine entsprechende Mitteilung, kann er sich u.U. wegen Strafvereitelung selbst strafbar machen.
Die Fachliteratur empfiehlt dem Betriebsprüfer auch deshalb, in Zweifelsfällen formlos mit der Strafsachenstelle Kontakt aufzunehmen. Dies ist heikel, weil so die Strafsachenstelle möglicherweise trotz (noch) nicht bestehendem Verdacht eingebunden und dies ggf. nicht dokumentiert wird.
Hat der Prüfer einen Anfangsverdacht, ist die Betriebsprüfung hinsichtlich des Sachverhaltes zu unterbrechen, auf den sich der Verdacht bezieht (§ 10 Abs. 1 S. 4 BpO). In der Praxis wird die Betriebsprüfung häufig vollständig unterbrochen, bis die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben worden ist. Im Interesse einer transparenten und eindeutigen Verfahrensführung ist das auch besser so. Oft ist so früh noch nicht abzusehen, welche Bestandteile eines gesamten Lebenssachverhaltes auch strafrechtlich miteinander verknüpft sind. Es liegt aber im Interesse aller Verfahrensbeteiligten, mögliche Rechtsverletzungen des Steuerpflichtigen auszuschließen. Vor allem bestünde die Gefahr, dass der Steuerpflichtige in der fortlaufenden Prüfung aktiv weitere Tatsachen offenbart, die den Verdacht wie in einem Mosaik erhärten.
Der Prüfer muss den Steuerpflichtigen zudem über seine Rechte belehren und ihm das komplizierte Verhältnis zwischen Straf- und Besteuerungsverfahren erklären (§ 393 Abs. 1 S. 4 AO). Diese Belehrungspflicht setzt sehr früh ein. Sie setzt noch keinen Anfangsverdacht voraus. Sondern es reicht aus, dass aufgrund besonderer Anhaltspunkte oder allgemeiner Erfahrungen die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Eine in der Praxis manchmal anzutreffende formularmäßige Belehrung durch Übergabe eines Merkblatts zu Beginn der Prüfung reicht nicht aus. Inhaltlich ist der Steuerpflichtige über
Diese Belehrungspflicht ist in der BpO nochmals enger gefasst (§ 10 Abs. 1 S. 4 BpO).
Manche Prüfer warten mit dem Hinweis auf eine mögliche strafrechtliche Relevanz von Prüfungsfeststellungen bis zur Schlussbesprechung. Die Motive hierfür können unterschiedlich sein. Sie reichen von der Sorge, das Prüfungsklima vermeintlich unnötig zu belasten bis hin zu dem bewussten Kalkül, die ahnungslos sprudelnde Erkenntnisquelle nicht versiegen lassen zu wollen. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht.
Wie die Belehrung auszusehen hat, regelt § 10 Abs. 1 S. 5 BpO. Danach ist die Belehrung unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen und auf Verlangen des Steuerpflichtigen schriftlich zu bestätigen.
Für die Schlussbesprechung gibt es dann eine besondere Hinweispflicht (§ 201 Abs. 2 AO). Besteht die Möglichkeit, dass auf Grund der Prüfungsfeststellungen ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt werden muss, soll der Steuerpflichtige darauf hingewiesen werden, dass die straf- oder bußgeldrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibt. Richtigerweise „muss“ dieser Hinweis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen; das Ermessen ist auf Null reduziert. Diese Hinweispflicht bezieht sich jedoch nur auf Erkenntnisse, die während der Schlussbesprechung erlangt werden. Deshalb kann der Hinweis eigentlich nicht zu Beginn der Prüfung erteilt werden. Ist dies der Fall, spricht vieles dafür, dass die Erkenntnisse tatsächlich bereits während der Prüfung erlangt wurden, was weitere Pflichten ausgelöst hätte.
Weder durch den Hinweis nach § 201 Abs. 2 AO noch durch die zeitlich nachfolgende Fertigung des sog. Rotberichts wird das Verfahren bereits eingeleitet.
Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Pflichten unterscheiden sich im Straf- und im Besteuerungsverfahren.
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